Warum ein Dreiminutenei nicht drei Minuten kocht

Eier kochen kann doch jeder! Eier kochen kann jeder? Sicher? Habt Ihr Euch nicht auch schon mal gewun­dert, war­um Eure Früh­stücks­ei­er nie so wer­den, wie beim letz­ten Mal? Oder war­um ein Drei­mi­nu­te­nei eigent­lich so heißt, obwohl es doch irgend­was zwi­schen 4 und 10 Minu­ten im kochen­den Was­ser blei­ben muss?

Unter einem Drei-Minu­ten-Ei ver­steht man ein Ei, das 3 Minu­ten gekocht hat und danach per­fekt ist: das Eiweiß ist fest und der Dot­ter ist noch weich und cre­mig.

Klingt ein­fach. Funk­tio­niert fast nie.

Man könn­te nun mei­nen, dass es dar­an liegt, ob das Ei in kochen­des oder kal­tes Was­ser gelegt wur­de, und kommt der Sache damit schon ein biss­chen näher, aber das ist auch nicht die rich­ti­ge Erklä­rung. Son­dern: wie so vie­les beim Kochen ist der Aus­druck Drei­mi­nu­te­nei ziem­lich alt. Und damals waren die Eier ein­fach klei­ner – ein nor­ma­les Ei war etwa so groß wie heu­te das kleins­te Ei, das man viel­leicht noch beim Bio-Bau­ern kau­fen kann. Die meis­ten Eier sind heu­te aber viel, viel grö­ßer.

Wie gelingt das perfekte Ei?

Regel Nr. 1: Die Eier immer in kochendes Wasser legen.

Kochendes Wasser

Ein klei­ner Schuss Essig ver­hin­dert, dass das Eiweiß aus­tritt, wenn die Scha­le reißt. War­um das so ist, war­um Anpiek­sen das Risi­ko ver­rin­gert (nein, es hat nichts mit der Luft­bla­se zu tun) und wel­che Metho­de noch bes­ser ist, kann man in Wer­ner Gru­bers Buch »Die Genuss­for­mel« nach­le­sen. Nur wenn man das Ei in bereits kochen­des Was­ser legt, kann man die rei­ne Koch­zeit kon­trol­lie­ren. Wür­de man kal­tes Was­ser ver­wen­den, hängt es ein­fach von zu vie­len Fak­to­ren ab, wie lan­ge es dau­ert, bis das Was­ser rich­tig heiß wird. Und da das Eiweiß bereits bei 82 Grad hart wird, das Eigelb sogar schon bei 65 Grad, wür­de man den gan­zen Vor­gang über­haupt nicht in den Griff bekom­men.

Regel Nr. 2: Auf die Größe kommt es an.

Eiergrößen

Bekann­ter­ma­ßen gleicht kein Ei dem ande­ren. Im Super­markt bekommt man heu­te meis­tens Eier der Grö­ße M oder L. Wei­te­re Klas­sen sind S und XL. Und es ist ein dra­ma­ti­scher Unter­schied, ob man Grö­ße S oder XL bekommt – dazwi­schen lie­gen mehr als 20 Gramm Gewichts­un­ter­schied!

Dum­mer­wei­se hel­fen uns die Anga­ben auf dem Eier­kar­ton nicht wirk­lich wei­ter, denn es han­delt sich um Gewichtsklas­sen, uns inter­es­siert aber eigent­lich der Durch­mes­ser des Eis. Und der kann auch bei der sel­ben Gewichts­klas­se unter­schied­lich sein, je nach­dem ob das Ei eher rund­lich oder schlank ist. Vom Durch­mes­ser aber hängt es ab, wie lan­ge es dau­ert, bis die Hit­ze das Inne­re des Eis erreicht hat.

Regel Nr. 3: Auf die Temperatur kommt es an.

Eier im Karton

Auch ein Ei braucht Zeit, bis es warm wird. Des­halb ist es ziem­lich wich­tig, ob das Ei aus dem Kühl­schrank kommt und eine Tem­pe­ra­tur von 4 bis 7 Grad hat oder ob es bei Zim­mer­tem­pe­ra­tur gela­gert wur­de. Peter Bar­ham gibt den Effekt auf die Koch­zeit mit ca. 15% an – d.h. wenn  ein Ei, das bei 20 Grad gela­gert wur­de, 4 Minu­ten zur Per­fek­ti­on braucht, muss das sel­be Ei aus dem Kühl­schrank mehr als eine hal­be Minu­te län­ger ins kochen­de Was­ser. Das hört sich viel­leicht nicht nach viel an, aber pro­biert es mal aus: der Unter­schied ist gewal­tig.

Die Faustformel

Man kann die Sache wis­sen­schaft­lich ange­hen und die Koch­zeit mit einer log­arith­mi­schen For­mel berech­nen, die die Aus­gangs­tem­pe­ra­tur des Eis, sei­ne Grö­ße und die gewünsch­te Innen­tem­pe­ra­tur des Dot­ters berück­sich­tigt. Wer beim Kochen kei­nen Taschen­rech­ner dabei hat, kann sich mit den fol­gen­den Wer­ten behel­fen, um per­fekt weich gekoch­te Eier zu erhal­ten. Wie gesagt: immer in kochen­des Was­ser legen!

Grö­ßeGewichtDurch­mes­serKoch­zeit
Kühl­schrank­ei
Koch­zeit
Zim­mer­tem­pe­ra­tur
Sunter 53 gklei­ner als 41 mm3:10 bis 4:10 min3:00 bis 3:40 min
M53 bis 63 g41 bis 43 mm4:30 bis 5:00 min4:00 bis 4:30 min
L63 bis 73 g43 bis 46 mm5:00 bis 5:40 min4:30 bis 5:00 min
XLüber 73 güber 46 mm5:40 bis 7:00 min5:00 bis 6:00 min

Man kann es auch genauer haben.

Wem die Faust­for­mel nicht aus­reicht, dem hilft das Inter­net. Die Fakul­tät Che­mie der Uni­ver­si­tät Oslo hat eine sehr hüb­sche Web­sei­te, auf der man nur vier Reg­ler ein­stel­len muss (Umfang des Eis, gewünsch­ter Här­te­grad des Dot­ters, Aus­gangs­tem­pe­ra­tur und Höhe über dem Mee­res­spie­gel) und sofort die Koch­zeit ange­zeigt bekommt. Die Sei­te ist auf nor­we­gisch, aber das stört eigent­lich nur bei den Erklä­run­gen. Mit Goog­le Trans­la­te kriegt man eine recht brauch­ba­re eng­li­sche Über­set­zung hin. Die auto­ma­ti­sche Über­set­zung ins Deut­sche ist fast so unver­ständ­lich wie das nor­we­gi­sche Ori­gi­nal und allen­falls zur Erhei­te­rung geeig­net.

Update

Die Sei­te der Uni­ver­si­tät Oslo exis­tiert zwar noch, aber die gra­fi­sche Dar­stel­lung lei­der nicht mehr, da sie in einer reich­lich ver­al­te­ten und unsi­che­ren Pro­gram­mier­spra­che erstellt wur­de. Dafür bekommt man eine ziem­lich nerdi­ge For­mel, mit der man die Koch­zeit wis­sen­schaft­lich berech­nen kann.

So rich­tig wis­sen­schaft­lich geht es auch bei Mar­tin Lersch unter dem Titel „Towards the per­fect soft boi­led egg“ zu.

Quellen

Natür­lich sind die­se Weis­hei­ten nicht allein auf mei­nem Mist gewach­sen. Ich kann die drei fol­gen­den Bücher allen emp­feh­len, die die Meta­mor­pho­se des Eis und ande­re phy­si­ka­li­sche Geheim­nis­se des Kochens noch ein­mal genau nach­le­sen möch­ten:

Wer­ner Gru­ber, Die Genuss­for­mel. Kuli­na­ri­sche Phy­sik. Mit einem Vor­wort von Johan­na Mai­er. Salz­burg: Eco­win Ver­lag GmbH 2008 (lei­der zur­zeit nicht lie­fer­bar)

Peter Bar­ham, Die letz­ten Geheim­nis­se der Koch­kunst. Hin­ter­grün­de, Rezep­te, Expe­ri­men­te. Unge­kürz­te Taschen­buch­aus­ga­be. Mün­chen: Piper 2008 (EUR 12,95)

Her­vé This-Benck­hard, Rät­sel und Geheim­nis­se der Koch­kunst. Natur­wis­sen­schaft­lich erklärt. Mün­chen: Piper 2009 (EUR 10,00)

Und hier noch mal der Link auf den Eier-Timer die Uni Oslo:
http://www.kjemi.uio.no/publikum/popularkjemi/egg/

10 Gedanken zu „Warum ein Dreiminutenei nicht drei Minuten kocht“

  1. Was wirk­lich nicht zu unter­schät­zen ist, die grö­ße des Eis. Was mir auf­ge­fal­len ist, das BIO-Eier grund­sätz­lich etwas län­ger brau­chen. Kei­ne Ahnung wie­so?

    Grü­ße
    Mar­cel

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  2. Vie­len Dank für die infor­ma­ti­ve Beschei­bung. Die­ser Bei­trag soll­te Pflicht­lek­tü­re in Hotels sein. Allen­falls in Aus­nah­me­fäl­len habe ich ein 3‑Mi­nu­ten-Ei bekom­men, wenn ich zum Früh­stück ein 3‑Mi­nu­ten-Ei bestellt habe. Über die auch in hoch­ka­rä­ti­gen Hotels pam­pi­gen Ant­wor­ten des Per­so­nals („ja wenns Ihne net basst, dann müs­se Se mir halt sage, wie langs kochen soll, mir hams 3 Minu­te gekocht, so wie Sies woll­ten!“) will ich hier gar nicht refe­rie­ren. Aber schön wäre es, in einem 4- oder 5‑Sterne Haus mal ein anstän­di­ges 3‑Mi­nu­ten-Ei zu bekom­men.

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  3. Wir haben zuhau­se selbst Hüh­ne und da ist jedes Ei anders. Sie unter­schei­den sich nicht nur in der Far­be son­dern natür­lich auch in der Grö­ße.

    Daher fand ich den Rech­ner den Ihre ver­linkt habt sehr prak­tisch. Die Sei­te ist zwar nicht auf deutsch, aber man fin­det sich in die­sem Java App­let sehr gut zurecht.

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    • Hal­lo Simon,
      Wenn Ihr selbst Hüh­ner habt, dann könnt Ihr mir bestimmt die Fra­ge beant­wor­ten, ob im Durch­schnitt mehr männ­li­che oder weib­li­che Küken gebo­ren wer­den. Das woll­te ich schon immer mal wis­sen.

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  4. Ich fin­de, wie­wohl des nor­we­gi­schen kei­nes­wegs mäch­tig (außer um ein Bier zu bestel­len), daß man für die Benut­zung der inter­ak­ti­ven Gra­fik wirk­lich kei­ne Über­set­zung braucht, die Gra­fik ist doch ein­deu­tig – not­falls ein bis­serl mit den Reg­lern rum­spie­len, dann sieht man, wor­um es geht.
    Nur frag ich mich, war­um bei einer Höhe von 2758 Meter über NN Schluß ist. Geht es in Nor­we­gen nicht höher? Die paar Meter, damit wir hier in Deutsch­land unse­re Eier auf der Zug­spit­ze per­fekt hin­be­kom­men, hät­ten sie schon noch dazu­ge­ben kön­nen.
    Wobei’s dann sowie­so dort nur gel­ten wür­de, wenn kei­ne Wind­bö­en den Topf auf dem Gas­ko­cher im Schnee regel­mä­ßig run­ter­tem­pe­rie­ren. Aber wir wol­len nicht pin­ge­lig sein, das könn­te kein Pro­gramm, kein Algo­rith­mus vor­her­sa­gen.

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  5. eigent­lich tra­gisch dass ein Labor die Pfan­nen­grös­se, bezw. die Was­ser­men­ge als nicht rele­vant ein­stuft, bei heu­ti­gen „Zei­ten des Spa­rens“… so, mit 10mm kochen­des Was­ser in einer bedeck­ten Pfan­ne geht es genau­so gut und prä­zi­se, jedoch um eini­ges spar­sa­mer. Ein­fach um 2 Minu­ten ver­län­gern. Also 5min für 2 eher grös­se­re Eier in einer eher klei­ne­re Pfan­ne ;)

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  6. Klingt über­heb­lich, aber lege die Eier 6 Minu­ten in den Dampf­ga­rer ( 100 grad dämp­fen), egal ob kühl aus dem Kühl­schrank oder nicht, die Eier sind seit­dem immer per­fekt.
    Lie­be Grü­ße Bern­hard

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  7. Und jetzt noch einer von mir, der die ein oder ande­re The­se über den Hau­fen wirft.
    Wir essen aus­schließ­lich Frei­land­ei­er in der Grö­ße XL. Wenn nicht ver­füg­bar, unter Zäh­ne­knir­schen in der Grö­ße L.

    Aus dem Kühl­schrank in kal­tes Was­ser und war­ten bis das Was­ser zu kochen beginnt. Den Han­dy­ti­mer auf 3:40 Min. stel­len und die Eier nach dem Ablau­fen der Koch­zeit sofort abschre­cken. So sind die Eier immer per­fekt und klei­ne­re Grö­ßen- und Form­un­ter­schie­de müs­sen nicht beach­tet wer­den. Ja hört sich komisch an, aber ein­fach mal pro­bie­ren.

    Grü­ße
    Tho­mas

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