Ha ha, wie witzig! – OK, es gibt vermutlich unzählige mäßig amüsante Ratgeber für Leute mit den sprichwörtlichen zwei linken Händen, in denen ein ebenso mäßig amüsanter Tipp zum Wasser kochen vorkommt. Wahrscheinlich haben sie auch noch alle voneinander abgeschrieben.
Es gibt aber vermutlich auch in jedem Kochbuch ein Rezept, für das man Wasser auf eine bestimmte Temperatur bringen muss. Angeblich sind 70°C ja die Wundertemperatur, bei der grüner Tee sein Aroma am besten entfaltet. Aber bitteschön: wie kriegt man Wasser auf 70°C, wenn man kein voll ausgestattetes Labor hat?
Wie so oft hilft es, wenn man im Physikunterricht aufgepasst hat.
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Die Frage
Wasser kocht bekanntlich bei 100°C. Kleinigkeiten wie Luftdruck und so lassen wir jetzt mal weg, schließlich sind wir ja doch in der Küche und nicht im Physiklabor. Jetzt stellen wir uns mal janz dumm: wie kriegen wir heißes Wasser wieder kalt?
Die einfache Lösung
Abwarten, bis das Wasser von selbst abkühlt. Dummerweise kann die Wartezeit je nach Gefäß, Deckel, Oberfläche usw. ziemlich variieren. Oder man kann zwischen zwei Gefäßen hin- und herschütten, denn dabei geht auch eine ganze Menge Wärme verloren. Beides ist zu ungenau, selbst für meinen Geschmack. Außerdem heißt es ja »Abwarten und Tee trinken« und nicht »Abwarten bis zum Tee trinken«
Besser: Mischen.
Wenn man heißes und kaltes Wasser mischt, wird’s lauwarm. Dafür hättest Du jetzt keine Anleitung gebraucht, oder? Aber wir wollen es ja ein bisschen genauer haben und 70°C erreichen. Dabei hilft uns die Richmannsche Mischungsregel, die wir für unsere Zwecke stark vereinfachen. Wer keine Lust zum Rechnen hat, kann auch einfach die Tabelle am Ende dieses Beitrags verwenden.
Warnhinweis: Liebe Mathe- und Physiklehrer, bitte nicht weiter lesen. Es wird jetzt schrecklich ungenau. Liebe Schüler, bitte nicht hier abschreiben. Wenn Ihr das in der nächsten Klassenarbeit verwendet, fallt Ihr durch.
Die Mischungstemperatur von zwei gleichartigen Flüssigkeiten ergibt sich aus der Menge der beiden Flüssigkeiten und ihren Temperaturen. Mischt man also einen Liter kochendes Wasser mit einem halben Liter kaltem Wasser (Zimmertemperatur) bekommt man 1,5 Liter Wasser mit einer Temperatur von etwas über 70°C. Das errechnet sich so:
in unserem Beispiel also:
und damit 73,3°C, was schon ziemlich genau an den geforderten 70°C ist.
In der Küche hat man allerdings fast nie 100°C heißes Wasser, weil es schon ein paar Grad abkühlt, wenn man es nur vom Herd nimmt. Praktisch rechnen wir also mit 95°C und erhalten gemäß der obigen Formel genau 70°C. Für die praktische Anwendung solltest Du auch daran denken, dass Du natürlich einen 1,5 Liter fassenden Topf brauchst, sonst gibt es eine Überschwemmung.
Hilft uns das jetzt weiter? Nicht unbedingt.
Wer mit gedacht hat, wird bemerkt haben, dass wir bisher die Frage beantwortet haben, welche Misch-Temperatur sich ergibt, wenn wir eine bestimmte Menge kochendes und kaltes Wasser zusammen schütten. Wir wollen aber eigentlich wissen, wie viel kaltes Wasser wir ins kochende schütten müssen, um eine bestimmte Temperatur zu erhalten. Wir müssen also die Formel umstellen:
Wenn wir also einen Liter kochendes (also praktisch 95°C heißes) Wasser auf 60°C herunterkriegen möchten, rechnen wir so:
und wissen dann, dass wir etwas weniger als einen dreiviertel Liter fast die gleiche Menge kaltes Wasser brauchen, nämlich 0,875 Liter. Auch hier bitte an die Überschwemmung denken.
Zu kompliziert?
Wer keine Lust hat, sich die Formel zu merken und in der Küche immer einen Taschenrechner herumliegen zu haben, kann sich auch an der folgenden Tabelle orientieren. Wir mischen immer einen Liter kochendes Wasser mit der angegebenen Menge kaltem Wasser, um die Zieltemperatur zu erhalten:
Zieltemperatur | Menge kaltes Wasser | |
90°C | 0,07 | Nicht mehr als ein Schuss kaltes Wasser … |
85°C | 0,15 | |
80°C | 0,25 | Oder eine große Tasse voll … |
75°C | 0,36 | |
70°C | 0,5 | Zwei große Tassen … |
65°C | 0,66 | |
60°C | ||
55°C | ||
50°C | Ab hier wird’s sinnlos … |
Die kommerzielle Alternative
Wer ein Bratenthermometer hat, kann sich die Mühe sparen. Wer kein’s hat, kann sich eins kaufen. Du solltest allerdings darauf achten, dass es auch Temperaturen anzeigt und nicht nur kleine Bildchen von Rindern und Schweinen.
Hi Thomas,
Was meinst Du: Hat das Wasser aus der Leitung immer 20Grad? Ich stelle mir vor, dass das je nach Wohnung und Region deutlich schwankt… Wir das dann nicht doch wieder ziemlich ungenau?
Viele Grüsse,
Thyra
Hallo Thyra,
ich gehe natürlich davon aus, dass Leute, die sich um die Temperatur ihres Tees Gedanken machen, auch einen Wasserfilter benutzen und daraus Wasser bei Zimmertemperatur nehmen. Die kann natürlich schwanken, aber dann bleibt Dir halt leider nichts anders übrig als den Taschenrechner auszupacken.
:) Thomas
Wasserfilter sind übrigens fast nie empfehlenswert, geben im schlimmsten Fall sogar Keime oder (gesundheitsschädliche) Stoffe wie Silber usw. ab!
Bitte sich vor Benutzung/Kauf Informieren – z.B. Stiftung Warentest oder im Internet.
Die Hersteller verbreiten u.A. absichtlich falsche Informationen.
Kalk ist übrigens nichts anderes als die „tollen“ Mineralstoffe im Mineralwasser (Mineralwasser kann sich heutzutage auch fast alles nennen und wird nur selten auf Schadstoffe getestet), daher auf keinen Fall ungesund. Einziger Grund den manche gegen Kalk nennen – dies verändert den Geschmack.
Hallo Thomas,
das war genau das, was ich gesucht habe – nicht zum Teekochen, sondern für die Befüllung einer Mini – Waschmaschine *gg* Und da sind 50 Grad nicht sinnlos, sondern das Maximum an Temperatur, mit der die Wäsche gewaschen werden sollte.
Hintergrund: Im vergangenen Jahr habe ich mit meinem Sohn Urlaub gemacht in Plau am See. Wir waren mit unserem Alpenkreuzer unterwegs, und als ich nach einigen Tagen das Bedürfnis hatte, Wäsche zu waschen, musste ich feststellen, dass die einzige Möglichkeit nach genauester Terminabsprache (macht Spaß im Urlaub) in einem 8 km entfernten Hotel gegeben war. Kein Waschsalon weit und breit. Nach dem Urlaub habe ich mir dann einen „Wash ´n´go“ besorgt, und da ist als maximale Temperatur 50 Grad angegeben. Wenn ich also Wasser mit der passenden Temperatur selber mischen muss, dann wird mir Deine Tabelle enorm helfen. Danke!
Nele
Hallo Nele,
Servicewüste Deutschland kann ich da nur sagen. Ich war vor einiger Zeit für ein paar Wochen in Vietnam und Laos unterwegs, da gab’s an jeder Ecke eine Möglichkeit zu waschen. Und in anderen Ländern gibt’s in jeder Stadt mindestens einen Waschsalon … na ja, ich freue mich jedenfalls, dass Dir der Beitrag geholfen hat.
:-) Thomas
Lieber Thomas,
danke für deinen Beitrag.
Auch ich verwende das Wissen nun nicht für Tee, sondern für Mitnehmsuppen ins Büro. 400 ml dicker Suppenansatz im 1 L‑Bügelglas und kochendes Wasser 1:1 = perfekte Esstemperatur!
Danke!
Liebe Grüße
Ina
Formel für MengeKalt stimmt, die berechneten Werte jedoch nicht. Beispiel:
MengeKalt = 1l (60–95)/(20–60) = 1l (-35)/(-40) = ‑0,875 l
und nicht 0,7l.
Hallo Carsten,
danke für’s Nachrechnen. Ich habe die Fehler korrigiert (zum Glück habe ich mich erst ab 60 Grad und darunter verrechnet).
Hallo zusammen,
ich meine, dass °C nicht die richtige Einheit für diese Rechnungen ist. Da sich die Richmannsche Mischungsregel aus der Energieerhaltung ergibt, müsste die Temperatur in K (Kelvin) gemessen werden. Der oben angezogene Wikipedia-Artikel verweist auch unter dem Stichwort Temperatur auf die Absolute Temperatur (gemessen in K).
Die Einheitengröße ist ja dieselbe wie in °C (ein Schritt von 1°C entspr. 1K), der Bezugspunkt ist aber der absolute Nullpunkt (0K = ‑273,16°C). Wenn man zu den Temperaturen jeweils rund 273 addiert müssten die Ergebnisse passen.
Nachtrag:
Sorry, ich habe gerade gemerkt, dass es „egal“ ist, ob man in K oder °C misst.
Da in der Formel die Temperaturen jeweils subtrahiert werden, kürzen sich die Unterschiede heraus.
Die Formel ist also theoretisch falsch, die Ergebnisse aber richtig.
… und in der Praxis funktionierts!
;-) Thomas
Hall zusammen,
sehr hilfreich – vielen Dank!
Ich habe das in Excel abgebildet und zweistufig aufgebaut… erst grünen Tee mit 70 Grad ansetzen und dann nochmal mit kaltem Wasser (Zieltemperatur 2) auffüllen, damit ich direkt aus der Thermoskanne trinken kann…
Beispiel:
150 ml kochend + 80 ml kaltes ergibt 230 ml zu ca 70 Grad.
Dann nach dem Ziehen einfach mit (bei mir) 345 ml auffüllen für ca 40 Grad Trinktemperatur
für 575 ml Fassung der Kanne.
Mit dem Excel kann man per Zielwertsuche einfach rückwärts ermitteln, wieviel ich kochendes Wasser ich zum Ansetzen einsetzen muß, um zum Beispiel 1,5 l zu 40 Grad als Ergebnis zu bekommen. Spielerei – ich weiß…
@Thomas: ich schicks Dir mal zu, vielleicht kannst Du es hier irgendwie posten oder an interessierte weiter leiten.
Herzliche Grüße,
O.
Hallo O.,
danke. Ich bin gerade in Urlaub; es wird also ein Weilchen dauern, bis ich mir das Excel anschauen kann.
Schöne Grüße
Thomas
Danke! Nun kann ich meinen Cold-Hot-Pack bei maximal 60 Grad warm machen. Mein Rücken dankt :)
Hallo, 5 Jahre später habe ich Deine Artikel gefunden, weil ich mir die Haare mit Henna färben möchte; erlaubte Wasser Temperatur: 50 grad. Darf ich fragen, meinst Du mit kaltem Wasser, aus der Leitung oder aus dem Kühlschrank?
Danke, LG Birgit
Hallo Birgit,
als ich den Beitrag geschrieben habe, dachte ich an grünen Tee. Und da ich mein Teewasser filtere, habe ich Wasser bei Zimmertemperatur als „kalt“ definiert. Das siehst Du auch an der Formel, in der ich 20 Grad für Temp(kalt) eingesetzt habe. Bei Wasser aus dem Kühlschrank (ca. 7 bis 8 Grad, je nach Einstellung) oder aus der Leitung (Temperatur vermutlich jahreszeitabhängig) musst Du die Formel verwenden, um das richtige Mischungsverhältnis zu bekommen.
Ich hoffe, das hilft Dir weiter.
Schöne Grüße, Thomas
Danke für die Tabelle. Meine vorherige Taktik bestand dadrin so lange zu warten bis das Wasser (hoffentlich) genug abgekühlt war,was leider häufig dazu führte,dass ich es komplett vergessen habe. Jetzt kann ich endlich meinen Tee genießen ohne mir einen Timer für das Wasser stellen zu müssen